Noch bevor man das Clickertraining in Erwägung zieht oder spätestens nach den ersten Trainingseinheiten mit dem Clicker stellt sich irgendwann die Frage “muss ich jetzt alles klickern?”.
Viele sind von dem Gedanken abgeschreckt, jetzt immer einen Leckerlibeutel dabei haben zu müssen. Oder gar während des Ausritts ständig stehen bleiben zu müssen, um zu loben.
Aber muss man denn überhaupt alles klickern?
Und wenn nicht? Verwirrt das dann das Pferd?
Dazu möchte ich kurz meine Erfahrungen schildern und erläutern, wie man “Kontexte” geschickt einsetzen kann.
Positive und negative Verstärkung
Das Clickertraining basiert auf dem Prinzip der positiven Verstärkung. Das Pferd zeigt ein Verhalten, dieses wird mit einem Markersignal markiert (sekundärer Verstärker, z.B. ein Clicker oder auch ein Zungenclick oder ein Markerwort wie “Keks”) und das Pferd bekommt seinen primären Verstärker, meist in Form von Futter.
Im regulären Training arbeitet man meist über negative Verstärkung. Man nutzt einen aversiven Reiz (Körpersprache, Stimme, Druck, Gerte, etc) und sobald das Pferd das gewünschte Verhalten zeigt, lässt der Druck nach.
(WICHTIG: positiv und negativ sind hier nicht wertend, sondern mathematisch zu verstehen, siehe positiven Verstärkung)
Meine persönlichen Erfahrungen
Ich habe anfangs das Clickertraining nur in ganz bestimmten Situationen verwendet – in der Freiarbeit.
In der Freiarbeit war es mir wichtig, dass mein Pferd auch “Nein” sagen darf. Um dies zu fördern habe ich die positive Verstärkung statt der üblichen negativen Verstärkung genutzt. Dies macht es den Pferden leicht, eine Übung zu verweigern, da ohne Druck gearbeitet wird.
Mein Pferd war motiviert, hat gelernt, “Nein” sagen zu dürfen, eigene Übungen vorzuschlagen und hat dabei richtig Einsatz gezeigt.
Vorerst aber nur in der Freiarbeit. Erst mit der Zeit hat sich die positive Verstärkung in immer mehr Bereiche unseres Zusammenseins geschlichen. Davon haben sowohl mein Pony, als auch ich, als auch alle weiteren Pferde in meinem Leben nur profitiert.
Ich möchte die positive Verstärkung nicht mehr missen, da sie uns viele Türen und Tore geöffnet hat. Trotzdem gibt es auch Situationen, in denen ich nicht klickere.
Kontexte
Dass ich überhaupt klickern und in anderen Situationen “normal” arbeiten kann, habe ich durch den Einsatz von Kontexten gelöst.
Kontexte können hier auch als Diskriminationssignale bezeichnet werden. Sie helfen dem Pferd zu unterscheiden (zu diskriminieren), in welchem “Modus” wir uns befinden.
Sobald ich mir selbst den Leckerlibeutel um die Hüfte schnalle, ist der Modus “Clickertraining” angesagt.
Wenn wir gerade nicht klickern, lege ich den Leckerlibeutel ab.
Es können aber auch Orte, Ausrüstungsgegenstände des Pferdes o.Ä. verwendet werden, die dem Pferd signalisieren, in welchem Modus man gerade agiert.
Damit das Pferd diese Kontexte lernen kann, bedarf es Zeit, Geduld und konsistentes Verhalten auf Seiten des Menschen. Keinesfalls sollte man das Pferd strafen, wenn es nicht gleich unterscheiden kann, in welchem Modus man sich gerade befindet.
Das dauert einfach kurz, aber bisher hat es jedes Pferd, das ich kennengelernt habe, gelernt. Sogar mein junger Hengst, der Klickern natürlich mega toll fand und am liebsten stundenlang für die Leckerlis arbeiten würde, hat schnell verstanden, wann Futterlob verfügbar ist und wann nicht.
Alltag
Im Alltag hatten mein Pony und ich bereits eine gemeinsame Sprache. Er hatte über negative Verstärkung gelernt, was es bedeutet, wenn ich ihn z.B. zurückschicke, wenn ich seine Hinterhand weichen lassen will. Er konnte bereits Hufe geben, beim Tierarzt still stehen und geführt werden.
Diese Verhalten habe ich nicht neu mit positiver Verstärkung aufgebaut. Da wir im Alltag im Modus “kein Leckerlibeutel – kein Clickertraining” sind, nutze ich einfach weiter die Signale, die wir bereits kennen.
Wenn man möchte, kann man diese Verhalten aber auch neu mit positiver Verstärkung aufbauen. Dazu nutzt man die Werkzeuge, die aus dem Clickertraining bekannt sind. Meistens sind das Targets, die das Pferd mit einem Körperteil berühren soll. Also statt meinem Signal mit der Hinterhand zu weichen, könnte ich meinem Pferd beibringen auf ein Hinterhandtarget zuzugehen.
Statt dem Pferd beizubringen, dass es am Putzplatz still zu stehen hat, was man mit negativer Verstärkung und positiver Strafe erklärt, kann man eine Matte nutzen. Das Pferd lernt auf dieser Matte ruhig zu stehen, weil es dann positiv verstärkt wird. Fehlverhalten wird ignoriert und gewartet bis das Verhalten “ruhiges Stehen auf der Matte” wieder gezeigt wird, um das dann zu belohnen.
Wie man das für sich und sein Pferd lösen möchte, ist eine ganz individuelle Entscheidung. Hier gibt es kein richtig und falsch, sondern nur ein “besser für uns”.
Wichtig ist, dass man sich vorher gut überlegt, welche Modi es gibt, wie diese diskriminiert werden und dass die verschiedenen Kontexte für das Pferd gut unterscheidbar sind. So bleibt es fair fürs Pferd.