“Konsistenz bezeichnet in der Psychologie die Widerspruchsfreiheit des individuellen Verhaltens eines Menschen in sich und im Bezug auf das eigene Selbst, die zeitlich und über Situationen hinweg im Wesentlichen erhalten bleibt.” (Fleeson & Noftle (2008))
Durch konsistentes Verhalten werden wir für das Pferd vorhersehbar. Es weiß, was es von uns zu erwarten hat und kann sich darauf einstellen.
Ein Negativ-Beispiel
Das Pferd ist neugekauft und der frischgebackene Pferdebesitzer überglücklich. Zur Begrüßung bekommt das Pferd ein Apfelstück und weil es so süß schaut und an der Jackentasche schnuffelt, gibt es noch ein Apfelstück. Beim Putzen ist das Pferd noch unruhig und bleibt nie länger als eine Sekunde auf allen vier Hufen stehen. Es bekommt bei jeder Regung einen Klaps, bleibt aber trotzdem nicht stehen. Es schnuffelt wieder an der Jacke, aus der doch vorher noch Apfelstücke rauskamen und kassiert wieder einen Klaps.
Beim Longieren ist der Besitzer sehr achtsam, steigert seine Anfragen ruhig und behutsam. Das Pferd ist zwar nervös, bemüht sich aber sehr. In jeder Pause lädt er es in die Mitte ein und gibt ihm ein Apfelstück. Die Pausen werden mit der Zeit immer stürmischer angenommen. Das Pferd hastet geradezu in die Mitte. Woraufhin es einen Klaps kassiert – und wenig später auch das Leckerli.
Am nächsten Tag kommt der Besitzer wieder. In freudiger Erwartung kommt das Pferd und hofft auf sein Apfelstück. Aber heut bekommt es keines. Das versteht es nicht.
Beim Putzen steht ein Futtereimer am Boden, so kann das Pferd ruhig stehen. Als es doch mal tänzelt, ignoriert der Besitzer das.
Beim Longieren ist der Besitzer heute sehr deutlich und bestimmt. In den Pausen möchte das Pferd zu ihm kommen, aber er schickt es sofort wieder weg. So bekommt es weder Pause noch Leckerli.
Wieder einen Tag später kommt der Besitzer recht schlecht gelaunt. Das Pferd spürt das, hofft aber weiterhin auf seine Apfelstücke. Hinschnüffeln kann man ja mal probieren. Aber dafür bekommt es einen Klaps.
Beim Putzen steht auch kein Futtereimer bereit und der Besitzer putzt ohne Achtsamkeit für sein Pferd, wodurch es heute noch unruhiger ist.
Diese Unruhe überträgt sich auf das Longieren.
Als das Pferd dann noch recht stürmisch in die Mitte schwenkt und im letzten Moment die Hinterhand zum Besitzer dreht und droht auszuschlagen, eskaliert die Situation.
Analyse des inkonsistenten Verhaltens
Das Pferd in unserem Beispiel kennt seinen Menschen noch nicht sehr lange. Es orientiert sich sehr stark an dem, wie er sich verhält und versucht aus vergangenen Verhaltenweisen Regeln für das Zusammensein abzuleiten.
Betteln erntet ihm einen Klaps, unruhiges Tänzeln endet einmal mit Strafe einmal mit einem Futtereimer. Die Arbeit an der Longe ist mal sehr einfühlsam und mal gar nicht.
Es kann sich nicht darauf einstellen, wie der Mensch agieren und reagieren wird. Das trägt zu seiner eigenen Unsicherheit bei und führt zu unnötigen Konflikten.
Es fehlt also an der Konsistenz des Besitzers.
Prävention
Um solchen Situationen oder gar der Eskalation vorzubeugen, ist es hilfreich sich genau zu überlegen, was man möchte und wie man das umsetzen will.
Welche Verhaltensleitlinien möchte ich mir als Mensch setzen.
Natürlich ist auch wichtig, dass das Pferd weiß, wie es sich zu verhalten hat, aber in diesem Artikel soll es in erster Linie um den Menschen gehen.
Aus meinem persönlichen Pferdemenschen-Leben
Auch ich habe gewisse “Regeln”, an die ich mich halte, damit meine Pferde wissen, was ich tue und was das für sie bedeutet.
Ausrüstung als Anzeiger
Lege ich z.B. ein Halfter an, verlange ich mehr “Gehorsam”, als wenn wir frei miteinander arbeiten oder entspannen.
Zuhause arbeite ich meist ohne Ausrüstung, wodurch meine Pferde wissen, dass sie ihre Meinung äußern dürfen. Sind wir im Gelände dürfen sie ihre Meinung natürlich äußern, müssen aber damit rechnen, dass ich – zu unserer Sicherheit und der der anderen Menschen – auf ein bestimmtes Verhalten beharren muss.
Leckerlibeutel als Signal
Habe ich keinen Leckerlibeutel umgeschnallt, gibt es auch keine Leckerlis aus der Hand. Sie brauchen also keine Lektionen anbieten, weil sie nichts bekommen werden.
Möchte ich ihnen, z.B. zum Abschied oder nach dem Tierarztbesuch doch etwas geben (ohne direkt Clickern zu müssen), dann lege ich das Leckerli auf den Boden.
Allgemein
Arbeiten wir zuhause im Stall, dann dürfen meine Pferde gerne gehen, Pause machen, eigene Übungen vorschlagen, gerne auch mal mehr Energie investieren. Sind wir im Gelände unterwegs gibt es klare Grenzen, die es einzuhalten gibt.
Wichtig ist mir an dieser Stelle, dass ich diese Situationen übe und die Pferde nicht “mit meinen Regeln” überfalle.
Planung
Wenn man sich noch nicht ganz sicher ist, welche Regeln man sich selbst geben möchte, kann es hilfreich sein, sich diese vorher zu überlegen.
Dazu kann man sein Zusammensein mit dem Pferd in verschiedene Bereiche unterteilen.
- Zuhause
- Gelände
- Begrüßen
- Füttern
- Putzen
- Bodenarbeit
- Freiarbeit
- Reiten
- Führen
- in der Herde
- allein
- gegenseitige Zuneigung zeigen
- welchen Individualabstand bevorzuge ich
- welchen Individualabstand wünscht mein Pferd
Um- und Durchsetzung
Hat man sich überlegt, welche Regeln unter welchen Umständen gelten, muss sich aber das Pferd auch darauf einstellen können.
Dazu ist es wichtig, dass man konsistent handelt. Ich würde gerne konsequent schreiben, aber das wird oft mit Korrektur, Maßregelung und Strafe assoziiert und darum geht es mir keinesfalls.
Mir ist wichtig, dass wenn ich festlege, dass mein Pferd nur bei der Freiarbeit Leckerlis aus der Hand bekommt, dass ich das dann auch so umsetze.
Gerade in der Anfangszeit kann ein achtlos zugestecktes Leckerli außerhalb der Freiarbeit das Pferd verwirren. Damit es sich auf die Kontexte und Verhaltensregeln einlassen kann, muss es sich auf uns verlassen können.
Natürlich kann man sich aber Alternativen überlegen, wie das Leckerli in eine Schüssel zu legen, wenn man sich außerhalb der Freiarbeit befindet.
Fordert das Pferd Futter ein, obwohl ich das in dieser Situation nicht wünsche, hilft es mehr, das Betteln und ggf. Drohen zu ignorieren und die Situation zu verlassen, als das Pferd zu korrigieren oder zu strafen.
Je mehr man selbst auf Konfrontation aus ist, desto größer ist das Risiko, dass die Situation eskaliert.
Kontexte
Pferd können sehr gut unterscheiden, in welchem Kontext sie sich gerade befinden. Platz vs. Gelände. Ausrüstung vs. frei. Trainer anwesend, andere Pferde-Mensch-Paare dabei. Und so weiter.
Was Kontexte sind und wie man sie verwenden kann, um dem Pferd Anhaltspunkte für Verhaltensregeln zu geben, kannst du hier lesen: Kontexte – muss ich jetzt alles klickern?
Inspirationen und Gedankenanstöße zu diesem und ähnlichen Themen findest du hier: