Druck im Pferdetraining

In einem sehr netten und tiefgründigen Gespräch mit einer Freundin kamen wir auf das Thema “Druck”.
Druck – das assoziieren viele mit “unangenehm”, “kein Ausweg”, “Zwang”, “Stress” und vielen weiteren (negativ konnotierten) Dingen. Deswegen möchte ich meine Gedanken zu diesem Thema “zu Papier” bringen.

Was ist Druck?

Druck im Pferde*training* geht meist vom Menschen aus. Und meistens dann, wenn er etwas vom Pferd will.

Das kann eine Reiterhilfe wie der Schenkel sein, der wortwörtlich den Pferdebauch (in irgendeiner Form) drückt.
Das kann auch das Sattel- und Reitergewicht sein, das – rein aus physikalischer Sicht – Druck von oben auf den Pferdekörper ausübt.
Das kann der psychische Druck sein, den das Pferd empfindet, wenn es den Reitplatz einfach nur betritt und weiss, dass es jetzt etwas leisten muss (und sich dazu aus irgendeinem Grund nicht in der Lage fühlt) oder die Erwartungshaltung des Menschen, der vielleicht zu früh zu viel will, auch wenn er das nur mental und nicht körperlich auf das Pferd überträgt.
Es kann aber auch der durchaus angenehme Druck einer Massage sein, die das Pferd von seinem Menschen bekommt und genießt.

Also in erster Linie kann Druck
– psychisch (mental/emotional) und/oder
– physisch
sein. Und er geht im Training in den meisten Fällen vom Menschen aus.

Wie das Pferd den Druck empfindet, kann aber nur das Pferd sagen.

Empfindung des Drucks

Für manche ist ein Schenkeldruck – vor allem vielleicht mit psychischem – Druck verbunden, den es als unangenehm, stressig, nervig empfindet. Manche Pferde sehen den exakt gleichen Schenkeldruck als vollkommen neutrale Anweisung an und wissen, was er bedeutet.

Ein Pferd ist leicht verspannt und genießt eine wohltuende Massage, während das andere Pferd bei einer leichten Berührung am liebsten davon laufen will.

So ein Druck kann also
– unangenehm,
– neutral oder
– angenehm
sein.

Relativ vernachlässigbar ist dabei, wie der Druck vom Menschen gemeint war. Wichtig ist für das Pferd nur, wie es diesen empfindet.
Ich kann eine Schenkelhilfe (und so war es bei Ský und mir am Anfang auch) so sanft und nett gemeint wie nur irgendwie möglich meinen, aber wenn das Pferd den Druck als nicht angenehm empfindet, hilft auch die positive Intention dahinter nichts. (Wobei eine wohlgemeinte oder neutrale Intention zumindest den empfundenen psychischen Druck vermindern kann.)

Aus lerntheoretischer Sicht ist Druck also erstmal irgendein Stimulus, also Reiz, den der Lernende wahrnimmt. Er kann diesen Reiz
– als unangenehm empfinden, dann sprechen wir von einem aversiven Reiz
– als angenehm empfinden, dann sprechen wir von einem appetetiven Reiz
– oder der Reiz ist neutral, also dem Pferd mehr oder minder egal

Aversive Reize (auch ganz sanfte und einfühlsame) können im Training mit negativer Verstärkung verwendet werden. D.h. ein als unangenehm empfundener Reiz (zumindest so unangenehm, dass das Pferd darauf reagieren will) wird so lange angewandt und vielleicht sogar gesteigert bis die gewünschte Reaktion vom Pferd kommt und dann wird der Druck wieder ausgesetzt.

So kann man den meisten Pferden beibringen zu weichen, indem man sie an einer Stelle berührt und Druck ausübt bis es eben zur Seite oder rückwärts geht.

Hat das Pferd dieses Signal erstmal gelernt, ist eine Drucksteigerung nicht mehr nötig. Vielleicht empfindet das Pferd den Druck nach der Lernphase auch nicht mehr als aversiven, sondern als neutralen Reiz – es weiss, wenn der Mensch die Hand auf die Brust legt, soll es zurückgehen. Das ist nicht unangenehm. (Es war nur im ersten Lernmoment unangenehm genug, dass das Pferd darauf – mit Weichen – reagiert hat.)

Das bedeutet vor allem auch, dass Druck, der nicht gesteigert wird (oder nach der Lernphase nicht mehr gesteigert werden muss) durchaus neutral sein kann bzw. vom Pferd als neutraler Reiz empfunden wird.

Das heißt im Umkehrschluss für mich, dass die Wahrnehmung des Pferdes
im Lernprozess sehr relevant ist, aber auch im Trainingsverlauf seine Bedeutung (von aversiv zu neutral) ändern kann.
(Trotzdem versuche ich so weit wie möglich auf aversiven und eskalierenden Druck im Training zu verzichten.)

Auch bei Intrinzen kann im Training nicht-eskalierender Druck verwendet werden.

Druck im intrinzen-inspirierten Training

Wie gerade angesprochen kann nicht-eskalierender Druck vom Pferd auch als neutral empfunden werden. Im intrinzen-inspirierten Training kommen weitere Faktoren hinzu, die begünstigen, dass das Pferd den Druck nicht als Zwang empfindet.

Einmal eben, dass der Druck nicht eskaliert wird und das Pferd (aus der Lernhistorie) weiss, dass der Druck nicht gesteigert wird und ihm keine schlimmen Konsequenzen drohen, wenn es auf den Druck nicht reagiert.

Des Weiteren sollte das Pferd im Trainingskontext wissen, dass es Autonomie hat, das heißt erstens darf es auf Druck auch NICHT reagieren und zweitens kann es die Trainingssituation komplett verlassen, wenn es Stress hat.
Dies gibt dem Pferd mehr Kontrolle über das Training und auch über den Stress.

Bei Intrinzen wird Stress auch nicht per se als schlecht angesehen. Durch die Autonomie und weitere Voraussetzungen (offener Reitplatz oder andere Möglichkeit zu gehen, alternative Futterquellen, niedrigwertige Leckerlis usw) hat das Pferd Kontrolle über seine Situation und auch, wenn der Mensch (nicht-eskalierenden) Druck auf das Pferd ausübt, kann es dem Druck durch ein “Nein” entgehen.

Der Stress wird bei Intrinzen deswegen (in einem gewissen und individuellem Maße) akzeptiert, da davon ausgegangen wird, dass in der Entspannung (parasympathische Aktivierung) Lernen und Training nicht effizient (oder vielleicht sogar gar nicht) geschehen kann. Für Training, Muskelaufbau, Lernen usw. ist eine gewisse sympathische Aktivierung nötig.

Durch die Autonomie soll der Stress und Druck für das Pferd kontrollierbar und zumutbar sein.


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