Du hast versucht mit Futterlob zu arbeiten, aber dein Pferd wurde aufdringlich? Hat es vielleicht sogar nach dir geschnappt? Sucht es selbst in der Leckerlitasche nach seiner Belohnung?
Oder hat sich die ganze Stimmung in Richtung Stress, ständiges Suchen, Aufregung entwickelt?
Keine Sorge, das passiert manchmal, wenn man beginnt, Futterlob einsetzen zu wollen.
Oft ist dies sowohl für den Menschen als auch für das Pferd Neuland und beide müssen sich erst orientieren, wie die gemeinsame Arbeit jetzt funktioniert.
Im Folgenden habe ich dir einige wichtige Punkte aufgelistet, die euch beiden helfen können einen entspannenten Umgang mit Futterlob zu finden.
Voraussetzungen
Bevor man eine Einheit beginnt, in der man Futterlob nutzen möchte, ist es wichtig den Ist-Zustand abzuchecken.
Ist mein Pferd – in allen Bereichen – satt und zufrieden?
Das beginnt schon damit, dass manche Pferde ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Sicherheit haben; Sicherheit, die sie so nur in der Herde empfinden.
Nimmt der Mensch das Pferd dann aus der Herde, ist das Stresslevel schon am Ansteigen. Dann sollte man überlegen, ob es eine Möglichkeit gibt, die ersten Einheiten in der Nähe der Herde oder auf dem Platz mit einem guten Kumpel zu machen.
Dann ist natürlich die Frage, ob das Pferd einen vollen Bauch hat oder die Leckerlis schon als heißersehnte Mahlzeit sehen. Wenn man mit der Arbeit mit Futterlob oder dem Clickertraining anfängt, kann es ratsam sein, vor dem Training nochmal etwas zu Fressen zu geben. Sei es ein Heunetz während des Putzens oder vielleicht sogar die Hälfte der Kraftfutterration bevor man auf den Platz geht.
Aber auch, wenn das Pferd an sich satt ist, kann es starken Hunger auf die Futterbelohnung verspüren, wenn diese zu hochwertig ist. Zuckerhaltige Leckerlis oder süsse Sachen, wie Äpfel können das Pferdegehirn ganz schön anfeuern.
Niedrigwertige Leckerlis oder einfach das Müsli in kleinen Handportionen ist da oft die bessere Wahl.
Es bietet sich auch an Heu während der Einheit bereit zu stellen oder das Pferd auch zwischendurch grasen zu lassen.
Des Weiteren wissen wir nicht, was das Pferd außerhalb der Zeit mit uns beschäftigt. Muss es in der Herde aufpassen, streiten, spielen? Dann ist es vielleicht müde und möchte die Zeit mit uns nutzen, um Energie zu tanken. Dann können hohe Erwartungen und das Abfragen von Leistung schon Stress für unser Pferd sein.
Innere Einstellung
Wir sollten also stets verständnisvoll und wohlwollend unserem Pferd gegenüber sein. Wir wissen nicht, was in seinem Leben (ohne uns) alles los ist und wir wissen nie zu 100%, ob alle seine Bedürfnisse gestillt sind. Deswegen ist es gerade jetzt wichtig dem Pferd gegenüber eine nachsichtige und zugewandte Haltung einzunehmen.
So kann man zum Beispiel die Einheit mit einer Übung beginnen, die das Pferd entweder schon gut kann oder leicht erlernen kann. So geben wir ihm Sicherheit, verhelfen ihm zu Erfolgserlebnissen und zeigen ihm, dass wir ihm gerne etwas geben.
Wenn wir die Einheit so planen, dass das Pferd oft kleine Erfolge erzielt und wir viele klickbare Momente finden, geben wir ihm ein positives Gefühl und motivieren es mitzumachen.
Wenn wir selbst zu hohe Erwartungen haben, ständig hoffen, dass es die nächste Übung besser ausführt oder das nächste Verhalten schneller lernt, dann passiert es gern, dass wir das Futterlob zu sparsam einsetzen und das Pferd dann natürlich anfängt zu suchen, abzuspulen, gestresst wird und vielleicht sogar Frust entwickelt.
Findet man sich während der Einheit in so einer Abwärtsspirale, ist es hilfreich, einfache Übungen abzufragen (bei uns die Crunches oder früher “Kopf tief”). Außerdem kann man versuchen, das Verhalten, das man dem Pferd beibringen will, in kleinere Schritte zu zerlegen.
Sollte man einen etwas alternativeren Weg gehen wollen, kann man auch das natürliche Erkundungsverhalten des Pferdes nutzen und es von seinem Frust ablenken, indem man interessante Dinge aufbaut wie eine Matte, Stangenwirrwarr, Flatterbänder, Planen usw. Diese darf das Pferd erkunden und man kann dann meist sparsamer belohnen, falls das Pferd über seine Neugierde den Frust vergisst.
Konsistenz und Geduld
Wichtig ist bei all den unbekannten Vorgängen und der Neuartigkeit des Trainings, dass wir dem Pferd ein hohes Maß an Konsistenz bieten. Dadurch werden wir trotz aller Aufregung ein vorhersehbarer Faktor.
Wenn wir nach jedem Click in kurzer Zeit das Leckerli zum Maul des Pferdes bringen, wird es bald wissen, dass es nach dem Click nur darauf warten muss, dass wir unseren Teil des Deals erfüllen.
Wenn wir nach jedem Click füttern, das Pferd in Ruhe kauen lassen und selbst tief durchatmen, wird auch das Pferd diese Momente der Ruhe vorhersehen und sich vielleicht darauf einlassen können, selbst Ruhe einkehren zu lassen.
Ganz allgemein darf man auch die Zeit für sich arbeiten lassen. Wenn sich in der heutigen Einheit zu viel Stress entwickelt, ist es keine Schande, diese (positiv) zu beenden, noch grasen zu gehen und am nächsten Tag einen neuen Versuch zu starten. In der Nacht von heute auf morgen kann das Pferd die Eindrücke verarbeiten, aber auch wir können reflektieren, was gut und was nicht so gut gelaufen ist.
Natürlich gibt es Pferde bzw. Pferd-Mensch-Paare, die das Clickern in einer Einheit schon sehr höflich über die Bühne bringen können, aber es gibt auch viele, die einfach ein paar Einheiten (über mehrere Tage oder wenige Wochen) brauchen, um sich “einzugrooven”.
Das hängt einerseits vom Charakter des Pferdes ab, aber noch viel mehr von seinen bisherigen Erfahrungen mit Futterlob. Wurde dieses zuvor nicht konsistent und vorhersehbar angewandt und musste das Pferd immer bangen und hoffen, ob es überhaupt etwas bekommt, muss es sich erst daran gewöhnen, dass du ein viel konsistenterer und wohlwollender Mensch bist.
Futterposition und Körpersprache
Ein ganz wichtiger Punkt, der auch stets konsistent sein sollte (oder zumindest in der Anfangszeit) ist die Futterposition. Ich beschreibe im Folgenden eine Futterposition, die anfangs für Pferd und Mensch recht einfach und natürlich ist; natürlich kann man diese auch so abwandeln, dass es indivdiuell stimmig ist.
– der Mensch steht seitlich neben Schulter/Hals
– Blick nach vorne
– ausgestreckter Arm
– das Pferd bekommt das Leckerli in Buggelenkshöhe bei geradem Hals
Wird das Leckerli jedes Mal, immer und immer wieder in dieser Position überreicht, wird das Pferd auch genau dort sein Maul platzieren, wo die Belohnung kommt.
Während diese Futterposition erlernt und durch Konsistenz gefestigt werden muss, lernen Pferde ganz schnell an den Taschen ihres Besitzers zu knabbern, wenn sie das Leckerli dort bekommen.
Hier ist also konsequentes Ignorieren jeglicher Absuch-, Knabber- oder gar Schnappversuche in Menschennähe. Schlimmstenfalls darf sich der Mensch auch in einen sicheren Bereich zurückziehen (hinter eine Absperrung), um diese “Attacken” ignorieren zu können.
Wenn das Pferd gelernt hat, dass Suchen und Schnappen kein Futter zu Tage befördert, wird es auch aufhören.
Mischen von Verstärkern
Ein sehr wichtiger und oft unbekannter Grund für Frust, Stress und Schnappen kann das Mischen von negativen und positiven Verstärkern sein, der das Pferd emotional verwirrt.
Die meisten Pferdemenschen haben traditionell gelernt durch Druck und Nachlassen mit dem Pferd zu kommunizieren. Dies ist ganz klassische negative Verstärkung und natürlich eine völlig akzeptable Trainingsweise.
Will man allerdings auf Futterlob und damit positive Verstärkung umsteigen, ist es ratsam, erstmal ganz ohne jegliches Druck/Nachlassen zu arbeiten.
Das Mischen von Druck und dann Nachlassen plus anschließend Futterlob kann für das Pferd sehr verwirrend und frustrierend sein.
Sylvia Czarnecki hat das wunderbar in ihrem Blogpost beschrieben:
Lerntheorie im modernen Pferdetraining (Scroll runter zum Punkt “Mischen”)
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